18.12.10

Wir schreiben Geschichte - Rap News on Wikileaks

Nach der Gemeinsamen Erklärung der taz und anderen deutschen Zeitungen, Angriffe auf Wikileaks zu beenden, zeichnet sich eine öffentliche Debatte um die Pressefreiheit ab. Rap News zeigt, wir schreiben in diesen Tagen und Wochen Geschichte. Es geht nicht um schwedischen Sex, sondern um unsere Demokratie, um die Meinungsfreiheit.



Bei dem Riesenwirbel, einen Schuldigen zu finden - und gewissermaßen eine Hexenjagd mit Julian Assange zu veranstalten - ist doch eines merkwürdig. Schockierende Dokumente auf Wikileaks, wie das Enthüllungsvideo zum Irak-Krieg, sind eine wunderbare Argumentationshilfe für die Demokraten im weißen Haus den US-Truppenabzug aus dem Irak gegenüber den Republikanern und der amerikanischen Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Wer kann denn mit Gewißheit ausschließen, dass politische Kräfte in deisem Umfeld Wikileaks ausnutzen, um Ihre Interessen durchzusetzen.

Dann ist doch eher die Frage, wie unabhängig und parteiübergreifend geleakt werden kann, d.h. welche Wahrheiten veröffentlicht und welche noch zurückgehalten werden und das ist eine wirklich historische Frage für den Moment.

17.12.10

Selbst das Toilettenpapier ist unter Geheimhaltungsstufe

Im Auswärtigen Amt gibt man acht auf seine Akten. Nur ein streng eingegrenzter Personenkreis hat Zugang zu vertraulichen oder gar geheimen Akten. Und wenn man dazu gehören will, braucht man sich über einen Hausbesuch vom Verfassungsschutz zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit nicht zu wundern. Rechner ohne USB Eingänge, kein oder nur eingeschränktes Internet. Private Facebook Profile verboten. Handys müssen zwecks Abhörgefahr bei Sitzungen draußen bleiben. Ja, man munkelt, selbst das Toilettenpapier sei unter Geheimhaltung.



Das scheint in der amerikanischen Diplomatie grundsätzlich anders gewesen zu sein, zumindest wissen wir das seit der Veröffentlichung der diplomatischen Depeschen auf Wikileaks. In den USA haben Hunderttausende die Möglichkeit der Einsicht in geheime oder vertrauliche Akten. Diese werden garantiert nicht alle einer geheimdienstlichen Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen worden sein. Und schon gar nicht alle ausnahmslos auf Facebook und alle anderen sozialen Netzwerke verzichtet haben. Der Zugang zum Internet war z.B. bei der US Air Force voll möglich. Die Nutzung von USB Schnittstellen auch.

Wie um alles in der Welt kommt man dann auf die Idee, Wikileaks und vor allem sein Sprecher, Julian Assange, könnten auch nur annähernd Schuld daran tragen, wenn geheime Dokumente der US Außenpolitik in die Öffentlichkeit geraten. Geheimnisverrat betreiben andere, aus welchen Gründen auch immer. Aber wenn ich etwas geheim halten will, dann bestimmt nicht bei einem Personenkreis von mehreren hunderttausend Menschen.

Und wie schon in der alten griechischen Tragödie gilt der Lehrsatz: "Don't blame the messanger."

13.12.10

Die Überqualifizierungsbombe

Verdammt! Wer kennt es nicht. Bewerbungsgespräch als Akademiker für einen festangestellen (!) Assistentenjob.

"Hmmmh, wenn ich mir so Ihren Lebenslauf anschaue, dann haben Sie Top Referenzen. Sie haben studiert, mit 1,0 abgeschlossen. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie hier richtig sind, zumal bei der Gehaltsstufe, die wir hier zahlen können"
....
Der innere Film läuft ab. Scheiße, die zünden die Überqualifizierungsbombe. Verdammt, die Kohlen jeden Monat auf dem Konto, ein Traum! Jetzt hab ich doch den Lebenslauf extra nach unten frisiert. Was wollen die denn? Ich will doch einfach nur arbeiten!
....
"Sie könnten doch bei Ihrer Qualifikation als Redakteurin arbeiten."
...
Ha, ha, soll ich jetzt etwa was von über 300 Bewerbungen und ebenso vielen Absagen berichten? Nein, ich versuchs lieber mit:
- organisieren ist doch schon immer eine meiner größten Stärken gewesen -
...
"Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob Sie nicht doch überqualifiziert sind."
...
Ja was denn, muss ich jetzt die Mitleidsschiene fahren? Ich habe Familie, Kinder, die ich ernähren muss. Wenn ich diesen Job nicht bekomme, bleibt doch nur Netto Kassiererin oder Hartz IV. Würg. Und für zu Hause sitzen und Haushalt bin ich ja mal echt überqualifiziert. Gut, dann also noch mal:
- Organisieren liegt mir wirklich. Das habe ich schließlich die ganzen Jahre zuvor sehr erfolgreich gemacht. -
Genau, als Vertretung der Assistentin nämlich, wofür ich dann auch nur 60% Gehalt bekomme. So ein Witz, von wegen niedrige Gehaltsstufe und so. Mann, jeden Monat fix Kohle auf dem Konto. Ist das nicht Ansporn genug? -
...
"Ich habe Sorge, dass Sie in einem Jahr schon wieder weg sind und ich mir wieder jemand Neuen suchen muss."
....
Na klar! Aber was solls, hey, ich versuchs schon seit 3 Jahren und es klappt nicht. Vielleicht bleib ich dann doch 3 Jahre. Ablenkmanöver:
- Ich kenne die Abläufe sehr gut und mir macht meine Arbeit wirklich Spaß.
...
"Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?"
- Ja hier, mit ein bisschen mehr Verantwortung für Online. -
...
Die Runde nickt.
...
Hey Leute, mal ganz ehrlich. Ihr mit eurem Oldschool Kram könnt in 10 Jahren einpacken. Da ist eh Online angesagt und dann sehen wir uns wieder, diesmal bin ich der Chef!

07.12.10

Hartzcore

Achim, Detta und Bettina leben in Kreuzberg. Sie leben von Hartz IV. Sie wollen aber nicht nur rumhängen, sondern etwas tun. Der Dokumentarfilm Hartzcore zeigt wie 1,- Euro Jobber um ein bißchen mehr Lebenswürde kämpfen, um das Gefühl einen ganz normalen Alltag leben zu dürfen. Aufstehen, arbeiten, Feierabend und Wochenende. Ein Leben also, in dem man gebraucht wird, in dem man Anerkennung erfährt, dadurch das man etwas tut. Eigentlich etwas ganz Selbstverständliches sollte man meinen.


Geht es denn wirklich nur um Bewerbungstraining, den ersten Arbeitsmarkt - das klassische Modell von Arbeit? Ist nicht vielmehr das "Gebrauchtwerden", das "einfach etwas tun wollen, um nicht in den Sumpf zu fallen" das eigentliche Problem der Hartz IV Gesetzgebung. Wieso gibt es kein Recht auf Arbeit, wenn Arbeit Freude und Freunde macht? Wir Menschen sind Teil einer Gemeinschaft und als Gemeinschaft hat unsere Spezies das Überleben gelernt. Dann kann also die Förderung der puren Leistung des Einzelnen nicht das einzige Kriterium für einen gesellschaftlichen Konsens sein. Die "Maßnahme", das Wegorganisieren von Freizeit, ist sehr viel mehr als nur Qualifizierung für einen ersten Arbeitsmarkt, den es für Einige de facto nicht gibt. Vielmehr ist die "Maßnahme" die Wiederherstellung eines sozialen Gefüges, das so im Menschen und in seiner Gesellschaft tief verankert ist.

Auf eine sehr feinfühlige, aber auch heitere Weise haben sich die beiden Filmemacher Anthony Lew Shun und Gertrud Schulte Westenberg des Themas genähert, wie auch die taz von der Premiere am 06.12.2010 im Kino Sputnik berichtete. Der Film ist ein ein wenig anders als die üblichen Dokumentationen über Lebenswirklichkeit, denn er zeigt die gefühlte harte politische Realität in einer berührenden Banalität und Leichtigkeit. Ganz nah an den Protagonisten, aber auch ganz nah am Zuschauer.

Hartzcore hat weder einen Verleih, noch ist er auf einem Festival gelaufen oder sonstwo ausgestrahlt worden, auch nicht im Netz. Die Dokumentation ist selber produziert worden, d.h. mit no budget, aus eigener Motivation der Hartz IV Empfänger heraus, die damit auf ihre Wirklichkeit in Kreuzberg, in Berlin aufmerksam machen wollen. Und genau das macht den Charme des Films aus, der etwas andere Blickwinkel.

Am 12.12.2010 um 16 Uhr gibt es eine weitere Vorstellung im Kino Sputnik.

Weitere Informationen: www.hartzcore.com