30.04.10

ZDF - Kennzeichen Digital deckt auf

Seit Ende März gibt es "Kennzeichen Digital" das politische Blog des ZDF. Eine sehr gelungene Themen und Autoren Mischung wie ich finde. Und wen wird es wundern, Mario Sixtus, der "elektrische Reporter" ist auch dabei als Spezialist für politische Netzthemen.

Die Bestrebungen von ZDF online Politik ins Netz zu bringen, halte ich für eine logische Konsequenz, den Informations- und Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender umzusetzen. Politik wird sich meiner Meinung nach zunehmend ins Netz verlagern und soll dort Viele erreichen, vor allem die Vielen, die bereits den Fernseher und die Tageszeitung abgeschafft haben und sich neben den Online Medien auch über Blogs und Empfehlungen von Freunden über politische Themen informieren wollen.

Die polemische Debatte der Verleger und Privatsender, die um die Online Angebote von ARD und ZDF geführt wird, kann ich unter dem Aspekt der politischen Bildung und des qualitativen Informationsangebots der öffentlich-rechtlichen Sender, nicht nachvollziehen. Oder gibt es wirklich hochwertige Online Politik Formate bei den Privaten?

Ich jedenfalls finde es spannend, mehr zu erfahren über die Wahlkampfschlacht in NRW, die im Netz geführt wird, wie der aktuelle Eintrag des ZDF Blogs zeigt.

Allerdings bin ich mal gespannt, ob es über die üblichen tagesaktuellen heute Themen bei politischen Netzthemen vorwiegend um Netzpolitik gehen wird oder hoffentlich auch um andere politische Themen, über die sich Netzbewohner aufregen und diskutieren und die aus dem Netz kommen.

29.04.10

Wie wird man zum Bloghasser?

Oder man könnte es auch so umschreiben: "Für einen Arbeitslosentreff sind die hier ganz schön fit in EDV" wie es ein preisgekrönter Offline Tweet bei einer großen Bloggerveranstaltung auf den Punkt brachte.

Selbstkristischer Humor findet sich leider noch zu selten im Netz. Um so mehr freut es mich, wenn mal der steife Xingprofileifer beiseite geschoben wird, und wie bei Kathrin Passigs Die Stufen der Technologiekritik dem Netzbesucher mal in die Gedankenwelt geschaut wird. Was passiert also, wenn klar wird, dass man z.B. an eigener Beteiligung in Blogs, Facebook, Twitter, Foursquare, etc. nicht mehr vorbeikommen kann:

1. Wo zu, zur Hölle, ist das denn jetzt wieder gut?
2. Wer will denn sowas?
3. Die Einzigen, die das Neue wollen, sind zweifelhafte oder privilegierte Minderheiten
4. Na gut, es ist da. Aber vielleicht geht es ja auch einfach wieder weg, wenn man die Augen fest genug zukneift.
5. Täuschen Sie sich nicht, durch (beliebige Erfindung) wird sich absolut nichts ändern
5a. Es handelt sich höchstwahrscheinlich nur um ein schönes Spielzeug
5b. Insbesondere lässt sich mit der neuen Technik kein Geld verdienen
5c. Eine Variante des Nutzlosigkeitsvorwurfs, die sich gegen Kommunikationstechnologien richtet, ist der Einwand, die Beteiligten hätten einander ja gar nichts mitzuteilen
6. Es ist also im Prinzip ganz gut, aber nicht gut genug
7. Die Innovation ist außerdem überkompliziert und anfällig
8. Schwächere als ich können damit nicht umgehen!
9. Hat die neue Technik mit Denken, Schreiben oder Lesen zu tun, dann verändert sie, ganz sicher unsere Denk-, Schreib- und Lesetechniken zum Schlechteren


An diesen Stufen der Technologiekritik orientiert sich wohl auch der Humor dieser Sonnenbrillenträger auf Facebook und auf Twitter. Oder ganz selbstreferenziell gesagt, die Sonnenbrille scheint wohl eine Privacy Einstellung der Nerd-Brille zu sein.

Das heißt aber auch, dass sich doch auch ganz viele Nicht-Nerds und Nicht-Netzchecker im Netz tummeln und das ist doch richtig gut. Ganz normale Leute wie Tante Else kommen dann auch mal zu Wort. Zum Beispiel in einem Blog über Bloghasser. Die Idee dafür ist schlicht, aber brilliant. Satire im Web über das Web, genauer gesagt über diese Blogosphäre. Eine Sphäre, die sich darüber aufregt, bei F.A.Z. net im Artikel über Blogger nicht verlinkt zu werden. Der Humor bleibt dann etwa ungefähr hier stehen:

"Sind also die beiden Welten FAZ-Journalismus und Blogosphäre wirklich so grundverschieden?

Vermutlich guckt der Autor der FAZ-Geschichte gerade bei Rivva nach, wie oft sein Artikel schon von Bloggern und Twitterern verlinkt worden ist."

Das Netz hat mittlerweile die kritische Masse der Vielen erreicht. Tante Else, einige meiner Freunde, ich, wir produzieren alle Content in diesem verrückten Internet. Warum es also nicht auch gelassen angehen und auch mal über sich selbst lachen können? Vielleicht würde das dem einen oder anderen auch schneller zu Stufe 10 der Technologiekritik verhelfen: ach so übel ist das eigentlich gar nicht.

27.04.10

Die große Netz-WG

Bin ich nun zu Gast in der großen Netz-WG oder bin ich sogar schon eingezogen? Diese Frage wirft der Vortrag von Prof. Peter Kruse auf der re:publica 2010 auf.



Was einen Digital Visitor von einem Digital Resident unterscheidet, ist demnach eine Wertefrage und ob man dem kulturellen Wert, den das Internet produziert, vertraut. Vielleicht ist sogar Vertrauen das richtige Wort, um diesen Unterschied genauer zu beschreiben. Inwieweit vertraue ich den Vielen, meinen Namen, meine Worte oder sogar meine Fotos oder Videos an? Doch wer sich nicht traut, wird auch nicht Teil dieser von Kruse beschriebenen kritischen Masse sein können, die das Internet erreicht hat, um Politik gestalten zu können.

Und da wird es für mich spannend. Flugblätter verteilen war gestern. Sich über Twitter, website und Blog organisieren ist heute. Für mich war #unibrennt ein sehr schönes Beispiel dafür, wie kampagnenfähig das Netz geworden ist. Nach wie vor haben die Studenten ihren Streik selbst organisiert, doch die Informationsmöglichkeiten sind viel effektiver geworden. Dadurch ist der Protest erst so richtig in Schwung gekommen. Wer mittwitterte, hatte das Gefühl dabeizusein und war motiviert, selbst aktiv zu werden. Und Mobilisierung ist das A und O in der Politik.

"Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären Politik-Verdrossen" stand auf einem Demoplakat der Piratenpartei und beschreibt meiner Meinung nach sehr gut, die Haltung einer Generation, die es offensichtlich satt hat, unterschätzt zu werden. Wer einmal in einer Redaktion gearbeitet oder ein Praktikum gemacht hat, wird sie wohl schon einmal gehört haben: Die Leser-, Hörer- oder Zuschauerbeschimpfung. Ich will nicht leugnen, dass es schon sehr skurrile Briefe und Anrufe dieser Zielgruppenleute gibt, aber ich denke, diese "schwammige" Masse der Leute wird einfach unterschätzt.

Warum also die Angst der Redakteure und Redakteurinnen vorm Zuschauer? Könnte dieser Zuschauer etwa mehr wissen als die Programmmacher und Programmmacherinnen? Und wenn schon, warum fragen sie den Zuschauer nicht einfach, vor allem, wenn es um Politik geht. Doch leider ist es mit Fragen allein nicht getan. Zuhören ist in diesem Fall mindestens genauso wichtig.

Einmal eingezogen in die große Netz-WG, finden dann wohl auch die besten Gespräche in der Küche, sprich auf Twitter, Facebook etc. statt. Fragt sich nur, wer ist dran mit abwaschen?